Lüster aus Böhmen
Aus den erhaltenen Aufzeichnungen ergibt sich, dass der älteste bekannte tschechische Lüster aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammt. Er wurde in der Hütte Juliovka (Juliustahl) im Nordböhmen nach den Mustern der Spätrenaissance aus Venedig erzeugt. Dieser Lüster wurde insgesamt in drei Ausfertigungen hergestellt, eine davon hat sich Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg in dem Schloss Favorite in Raststatt aufhängen lassen. In späteren Jahren wurde dieser Lüster ins Schloss Bruchsal in der Nähe von Karlsruhe in Baden-Württemberg verlegt. Die zwei übrigen Lüster wurden nach Moskau geliefert.
Unter dem Einfluss der Hersteller aus Frankreich haben auch die tschechischen barocken Glashütten angefangen seit den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts Glasbehang für Leuchten und Lüster zu erzeugen als Ersatz für den italienischen Behang aus dem natürlichen Kristall.
Erste schriftliche Erwähnung eines Leuchtenherstellers aus Böhmen stammt aus dem Jahre 1724. Es handelte sich dabei um die Firma von Josef Palme aus Prácheň (Parchen) bei Kamenický Šenov (Steinschönau).
Die Lüster aus Böhmen wurden bald zu hochgeschätzten Import-Artikeln zum Beispiel in Spanien, Deutschland, Frankreich, Niederlanden, Russland oder Dänemark. Schon seit 1725 erscheinen sie in Paris als Dekoration in Versailles. In dem Jahre 1735 hat die Händlerin Eva Marie Pichler für das Schloss Ansbach nicht weit von Nürnberg einen gläsernen Barocklüster geliefert, der dort noch heute zu finden ist. Mit seiner Höhe von 3 Metern ist er im dortigen Großen Festsaal nicht zu übersehen.
In dem 19. Jahrhundert wurden die Lüster durch einen neuen Stil - das Empire beeinflusst. Zuerst haben die Lüster ihre klassizistische Form behalten. Ein Muster dafür war reichlich geschmückter englischer Kristalllüster, dessen unterer Teil Form eines Korbes hatte. Einen Repräsentant des späten Empires kann man in der barocken Klosterkirche der Verkündigung der Jungfrau Maria in Hejnice (Haindorf) im Isergebirge nicht weit von Liberec (Reichenberg) finden. Der Lüster ist 4 Meter hoch und wurde von Josef Helzl aus Kamenický Šenov (Steinschönau) im Jahre 1853 auf die Bestellung von Josef Riedl hergestellt. Josef Riedl ist in Kamenický Šenov geboren, hat in Vilémov (Wölmsdorf) eine Glashütte besitzen und hat diesen Lüster der Kirche geschenkt. Der Lüster wurde im Jahre 1929 restauriert und elektrifiziert und wird bis heute mit 54 Glühbirnen beleuchtet.
Das Ende des 19. Jahrhunderts war mit der Elektrifizierung von Lüstern gekennzeichnet. Unter die allerersten Hersteller der elektrischen Lüster gehörte die Firma von Elias Palme aus Kamenický Šenov (Steinschönau).
Neben den Stilen des Historismus war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem dominant der Jugendstil. Ein bedeutender Hersteller dieser Zeit war die Firma E. Palme & Co. aus Smržovka (Morchenstern) nicht weit von Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße) im Nordböhmen. Hier wurde im Jahre 1828 der damals größte Lüsterkorb auf der Welt hergestellt, der für den Zuschauerraum des italienischen Opernhauses in Rom (Teatro dell’Opera di Roma) bestimmt war. Der Lüster verfügt über einen Durchmesser von 6 Metern und über 270 Glühbirnen.